Der hl. Fidelis und die Barmherzigkeit Gottes

Die Göttliche Barmherzigkeit
aus der Sicht des hl. Fidelis von Sigmaringen
Predigt von DDr. Dariusz Radziechowski am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit am 24. April 2022 in der Klosterkirche der Dominikanerinnenin, Altenstadt (Feldkirch).
Am zweiten Sonntag der Osterzeit feiern wir schon seit über zwanzig Jahren den Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit. Das verfügte Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 bei der Heiligsprechung der polnischen Schwester Faustyna Kowalska (geb. 25. August 1905, † 5. Oktober 1938), die uns im 20. Jahrhundert die Barmherzigkeit Gottes näher gezeigt hat. „Die Barmherzigkeit Gottes! Sie ist das Ostergeschenk, das die Kirche vom auferstandenen Christus empfängt und […] der Menschheit anbietet“, sagte der Hl. Vater in seiner Predigt am 22. April 2001.
Am heutigen Tag begehen wir auch das 400-jährige Jubiläum vom Martyrium des hl. Fidelis von Sigmaringen (geb. 1. Oktober 1578). Am 24. April 1622 wurde er wegen seines katholischen Glaubens vor der Kirche in Seewis grausam ermordet. Er war ein promovierter Philosoph und Jurist, der sich als Priester im Kapuzinerorden dem Missionswerk gewidmet hat und der schon im 17. Jahrhundert dieselbe Lehre von der Barmherzigkeit Gottes verkündet hat wie Faustyna in unserer Zeit.
Der Hl. Fidelis war überzeugt, dass die Wirkungen der göttlichen Barmherzigkeit großartig sind und wir sie in dreifachen Stufen betrachten können:
(1) „Die erste Wirkung [der göttlichen Barmherzigkeit] ist, den Menschen vor Sünden zu bewahren.“ (Hl. Fidelis von Sigmaringen, Predigt auf das Fest der Kirchweihe, [in:] F. della Scala, Der heilige Fidelis von Sigmaringen, Mainz 1896, S. [41]). Der Hl. Fidelis erklärte, dass auch die menschliche Natur „wie ein Stein, der nicht zurückgehalten wird, allsogleich abwärts fällt und die Erde aufsucht.“ (Ibidem) So viele potenzielle Sünden können uns nämlich betreffen, weil es nicht einfach ist – wenn nicht gar fast unmöglich – das Gute aus eigener Kraft zu wählen. Oft neigen wir zum Bösen, vor allem wenn wir in unguten Umständen leben und arbeiten müssen. Dass wir trotzdem vor vielen Sünden bewahrt bleiben, in welche wir fallen könnten, verdanken wir der göttlichen Barmherzigkeit.
(2) Die zweite Wirkung ist, dass Gott wartet, bis der Mensch zurückkehrt (Vgl. ibidem, S. [42]). „Nachdem der Mensch in Sünden gefallen ist, bietet er (Gott) ihm seine Gnade dar, damit er sich erhebe zur Buße“ (Ibidem). Hier ist die Gnade Gottes notwendig. Ohne sie können wir von der Sünde nicht aufstehen. Und noch mehr, wenn wir in eine Sünde fallen, so schlittern wir weiter in neue und schlimmere Sünden. Dann also – unterstreicht der hl. Fidelis – „anstatt dass unser Herz aus Liebe zu Gott die Sünde vermeide, eilt es von Sünde zu Sünde, […], gerade so wie wenn ein Stein ins Wasser fällt, er zuerst eine kreisrunde Welle schlägt und diese erste erregt eine zweite und die zweite wieder eine in einem immer größeren Kreise“ (Ibidem, S. [43]). So wären wir verloren. Die Güte Gottes aber leitet uns unermüdlich zum Sakrament der Beichte, die unsere Seelen reinigen und heilen kann.
(3) Die dritte Wirkung – sagt der hl. Fidelis – ist, dass der Herr Jesus Christus „sieht“ den Menschen „mit jenen liebreichsten Augen, und er sendet ihm gewissermaßen verborgene Strahlen seiner göttlichen Barmherzigkeit.“ (Ibidem, S. [45]) Dank der heiligmachenden Gnade werden wir durch Umkehr und Buße von der Sünde befreit. Wenn wir dazu die Hl. Eucharistie häufig empfangen, werden wir geheiligt.
Wenn dann jemand darüber lästert und überheblich fragt: „Zu was diese Verschwendung, dieses so häufige Beichten und Kommunizieren?“ (Ibidem, S. [44]), so antwortet der hl. Fidelis überzeugend, dass „sie Diebe sind, welche Gott die Ehre und der christlichen Seele die Gnade des heiligen Sakramentes stehlen“ (Ibidem).
Wir brauchen Gnade dafür, dass wir unsere Augen zum Himmel erheben und nicht nur auf das Irdische und Vergängliche schauen. Wir können mit dem hl. Fidelis darum bitten: „Ziehe auch dies mein hartes Herz an dich […]. Ziehe uns an dich und wir werden laufen [zu dir], und handle mit uns nach deiner großen Barmherzigkeit“ (Ibidem, S. [47]). Amen.