Eine Ermutigung zur Beichte

Predigt
des Diözesanpriesters Dominik Anton
Bolt aus CH-Sargans am 5. Fastensonntag,
06.04.2025 im Dominikanerinnenkloster
«Zum Englischen Gruss» in Feldkirch
Liebe Schwesterngemeinschaft
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn
l „Zu einem weisen Einsiedler kam eines Tages ein
junger Mensch und sagte, er sei von der Kirche enttäuscht und suche die vollkommene Gemeinschaft der
Gläubigen. Da führte ihn der Alte zum Mauerwerk seiner kleinen Kapelle und fragte ihn: ‚Sag mir, was du
siehst.‘ – ‚Ich sehe ein altes Gemäuer mit viel Unkraut
und Moos‘, entgegnete der junge Besucher. ‚Und doch
wohnt Gott in diesem scheinbar ungepflegten Haus‘,
meinte der Einsiedler. ‚So ist es auch mit der Kirche.
Sie kann nicht rein und perfekt sein, weil sie aus Menschen besteht. Auch du bist ein Mensch, und ich sage
dir: selbst wenn du die vollkommene Kirche findest,
wird sie es in dem Augenblick nicht mehr sein, in dem
du ihr beitrittst.‘“ (aus: Willi Hoffsümmer; Kurzgeschichten Band 3, S. 57; Nr. 76)
l Auch im heutigen Evangelium haben wir es mit
Menschen zu tun, die – mit einer Ausnahme – nicht
perfekt sind: Da ist einmal die Ehebrecherin: Diese
Frau ist beim Ehebruch, also mit einem anderen Mann,
auf frischer Tat ertappt worden, was gemäss dem damaligen Recht die Steinigung einer solchen Person zur
Folge hat. Nun steht die Ehebrecherin in der Mitte. Es
gibt für sie kein Entrinnen. Dafür sorgen die Schriftgelehrten und Pharisäer, die diese Ehebrecherin zu Jesus
geführt haben, während Er im Tempel das Volk lehrte.
Sie, die scheinbar perfekt sind, nehmen ihre Selbstsicherheit und Selbstgerechtigkeit vorerst nicht wahr
und spielen sich gar als Richter auf. Und dann ist
schliesslich noch der Hauptdarsteller zu nennen, der
alle Anwesenden durch Seine einzigartige Vollkommenheit überragt: der Sohn Gottes, Jesus Christus. Er
wird nach Seiner Meinung gefragt: „Mose hat uns im
Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen.
Nun, was sagst Du.“ Damit wollen die Schriftgelehrten
und die Pharisäer Jesus letztlich eine Falle stellen. Zu
diesem Zweck ist die herbeigeschaffte Sünderin gerade gut genug. Es scheint, als ob das Vergehen der Ehebrecherin ihnen wie gelegen kommt. Ja, sie wird eigentlich missbraucht, um diesen Jesus endlich zu Fall
zu bringen.
l Jesus selber befindet sich in einer schier ausweglosen Situation: Hätte Er sich nämlich gegen die
Steinigung ausgesprochen, so hätten sie Ihm vorwerfen können, dass Er gegen das Gesetz des Mose
verstösst. Nach dem Gesetz mussten die direkten Zeugen einer solchen Tat den ersten Stein auf die Schuldige werfen, und nach ihnen dann die Menge. Hätte Jesus das Todesurteil über die Ehebrecherin hingegen
bestätigt, so wäre Er in Widerspruch geraten zu Seiner
Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes gegenüber
den Sündern. Aber Jesus überrascht die Versammelten
zunächst nicht mit einer Antwort, sondern mit einer
sonderbaren Handlung: In grösster Ruhe bückt Er sich
und schreibt oder macht Striche auf den Boden. Er
sieht sie nicht an, Er scheint ganz allein zu sein, ganz
hingegeben diesem Spiel mit dem Finger auf dem Boden. Alle warten auf Sein Wort: die Gegner voll Selbstsicherheit, die Frau voll Angst, das Volk voll Spannung.
l Wie Er sich niedergebückt hat, so richtet Er sich
wieder auf und sagt zu ihnen: „Wer von euch ohne
Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ Die
Schriftgelehrten und die Pharisäer waren ganz auf das
Gesetz fixiert und haben bloss die Schuld der Frau gesehen. Sie waren selbstgerecht. Jesus erinnert sie mit
Seiner Antwort an ihre eigenen Verfehlungen. Wie
können sie, die selbst auf die Geduld und Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind, so schnell und bedenkenlos die Hinrichtung der Frau fordern? Jesus geht allerdings auf ihre Frage nicht direkt ein. Er richtet das Augenmerk der Pharisäer und Schriftgelehrten auf einen
Tatbestand, den sie vergessen haben, auf ihre eigene
Situation vor Gott. Er bringt sie selbst ins Spiel und
lässt sogar den Anklägern noch etwas Zeit, währenddem Er sich wieder bückt und auf dem Boden weiterschreibt. Diese Begebenheit nimmt dann doch noch
ein gutes Ende: Die Umstehenden sind wenigstens so
ehrlich, dass sie sich das Wort Jesu zu Herzen nehmen.
Keiner behauptet, ohne Schuld zu sein. Keiner wagt,
den ersten Stein zu werfen. Alle gehen schliesslich
weg. Und zurück bleiben die Armseligkeit, also die
Ehebrecherin, und das Erbarmen, verkörpert in Jesus
Christus. Und obwohl Jesus als einziger sündenfreier
Mensch zurückbleibt, verurteilt auch Er die Frau nicht
zur Steinigung. Dadurch wird deutlich, dass Er zwar die
Sünderin liebt, jedoch nicht ihr sündhaftes Tun. Ihre
Tat bezeichnet Er als Sünde, die ein Verstoss ist gegen
den Willen Gottes. Mit den Worten „Geh und sündige
von jetzt an nicht mehr!“ fordert Er sie ausserdem
nachdrücklich auf, vom bisherigen Verhalten abzulassen.
l „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster
einen Stein auf sie.“ Was ist eigentlich Sünde? Sie ist
das bewusste und freie Ausbrechen aus dem verpflichtenden Willen Gottes, das selbstherrliche Nein
zum Schöpfergott und Seinen Geboten. Das Wort
„Sünde“ leitet sich her von absondern, das heisst: einen „Sund“ aufreissen zwischen Geschöpf und Schöpfer. Im allgemeinen Schuldbekenntnis, das wir hoffentlich immer wieder zu Beginn der Messfeier beten,
schlagen bzw. klopfen wir jeweils mit unserer Hand an
unsere Brust, als Zeichen, dass da auch das Böse in uns
sitzt. Unser Zeigefinger zeigt dabei nicht auf andere
und weist auf ihre Schuld hin, sondern auf uns selbst,
auf unsere eigene Schuld. Im Schulbekenntnis sind die
verschiedenen Arten des Sündigens enthalten. Wir
können sündigen, indem wir etwas Gutes unterlassen,
es also nicht tun oder etwas Böses tun. Die Sünde
kann sich aber auch in schlechten Gedanken, Worten
und Werken äussern. Es gibt heutzutage immer mehr
Menschen, die kein Sündenbewusstsein mehr haben,
die ihre eigene Sündhaftigkeit verleugnen, sie schönreden, verdrängen oder gar auf andere abschieben.
Papst Pius XII. hat einmal gesagt, „dass die grösste
Sünde unseres Jahrhunderts der Verlust des Gespürs
für die Sünde ist, und dass dieser Verlust einhergeht
mit dem Verlust des Gespürs für Gott“. Wie wahr diese Feststellung ist, zeigt sich schon in den Erfahrungen
der Heiligen: Je näher sie sich Gott gefühlt haben, umso deutlicher wurde ihnen ihre eigene Armseligkeit
und Begrenztheit bewusst.
l Nutzen wir immer wieder das beste Heilmittel für
unsere Sünden, das Sakrament der Versöhnung, wie
die Beichte auch genannt wird. Gerade dieses wunderbare Sakrament der Göttlichen Barmherzigkeit hilft
uns, zu einem gesunden Sündenbewusstsein und auch
dazu, zu unseren Sünden und unserer Schuld ohne
Wenn und Aber stehen zu können, sie nicht zu verleugnen oder gar auf andere abzuschieben. Amen