Dominikanerinnenkloster Feldkirch-Altenstadt

Unbefleckte Empfängnis


08.12.2022, Unbefleckte Empfängnis Mariä (H)

Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariä

Predigt von DDr. Dariusz Radziechowski

in der Klosterkirche der Dominikanerinnen

in Feldkirch – Altenstadt

Wir sind in der zweiten Adventswoche und feiern heute, neun Monate vor dem Fest Mariä Geburt (welches am 8. September gefeiert wird), das Hochfest der ohne Erbsünde Empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Diese liturgische Feier kam im 9. Jahrhundert von Konstantinopel nach Süditalien und Sizilien. Aber erst am 8. Dezember 1854 wurde die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariä von Pius IX. verbindlich definiert und als Glaubenssatz erklärt.

Aber was bedeutet diese Feier eigentlich…

Das Festgeheimnis sagt uns, dass Maria vom ersten Augenblick ihres Lebens an von aller Erbschuld frei war, dass Sie das reinste Geschöpf Gottes war, die neue Eva, die ohne Sünde blieb und so zur „Mutter aller Lebenden“ werden konnte. Dabei muss klar bleiben, (1) dass Maria auf natürlichem Weg, als Kind ihrer Eltern, geboren wurde und (2) dass auch sie die Erlösung und alle Gnade durch den Tod Jesu Christi empfangen hat.

So kann man kurz theologisch berichten. Aber wir können weiter fragen, was das für uns bedeutet…

Gott hat einen Neuanfang mit den Menschen gesetzt. Er sendet seinen Sohn, der als Mensch geboren werden soll. Dazu erwählt er eine Frau aus dem Volk. Sie wurde erwählt zur Mutter des Herrn, weil sie rein war, untadelig. Sie war dies nicht nur aus eigener Kraft, aus eigener Leistung, sondern schon von ihrer Empfängnis an.

Mit der Lesung aus Genesis (3,9-15.20) wird die Tiefe der Sünde des Menschen genannt: Denn jeder Mensch hat von Beginn seines Lebens, noch vor seiner Geburt, Anteil an der Sünde Adams und Evas, an der Erbsünde. Diese „Erb-Sünde“ ist nicht ein persönliches Verschulden des einzelnen Menschen, sondern hängt an seiner Willensfreiheit, mit der er sich frei für oder gegen Gott entscheiden kann. Christus ist gewissermaßen der neue Adam: Er hat durch seinen Tod und seine Auferstehung die Menschen von dieser Sünde befreit. Genau dies feiern wir in jeder Taufe, in der die Erbsünde abgewaschen wird und wir Christus als Gewand anlegen. In dieser Symbolik ist nun Maria die neue Eva: sie ist von Anfang an ohne diesen Makel der Erbsünde. Zugleich aber macht sie auch selbst den Schritt, indem sie Gottes Erwählung annimmt: „Mir geschehe nach deinem Wort.“ (Lk 1,38)

Mariä Empfängnis ist so ein Fest der ganzen Menschheit: Es ist das Fest, in dem es um die Möglichkeit der „Vollkommenheit“ geht. „Perfektion“ ist ja ein Bestreben gerade unserer Zeit: Alles möglichst perfekt zu machen – doch wir schaffen es nur sehr begrenzt, perfekt zu sein, weil wir unsere Vollkommenheit wohl erst im ewigen Leben erlangen; hier auf Erden gehört es zu unserem Mensch-sein, Fehler zu haben.

Aber wir haben die Erwählung zur Vollkommenheit. Das Vorbild Marias will uns Mut machen: Es stellt uns unsere Möglichkeiten vor Augen: Es ist möglich für uns Menschen, vollkommen zu werden.

Mariä Empfängnis – kann für mich daher gerade in der Adventszeit ein Anstoß sein, über mein eigenes Leben, über meine Erwählung nachzudenken; darüber, was Gott mit mir vorhat. Er verlangt von mir nicht eine „Vollkommenheit von Geburt an“ – diese war bei Maria ein Gnadengeschenk. Ich bin ein Mensch mit Grenzen und Unvollkommenheiten. Aber als solcher weiß ich mich dennoch berufen, hinzuarbeiten auf die Vollkommenheit des ewigen Lebens, wenn ich, wie Maria, in meinem Herzen sagen könnte: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“. (Lk 1,38)